In unserer letzten Papier-Ausgabe berichteten wir, dass bei Carl Zeiss Microscopy Göttingen jeder achte Arbeitsplatz (75 von 650) abgebaut werden soll. Die Belegschaft und zumindest die Standort-BetriebsrätInnen machten Gegenvorschläge (z. B. die Wochenarbeitszeit im Rahmen einer schon existierenden Kapazitätsvereinbarung zu reduzieren). Als die Infos die Belegschaften erreichten, gab es erzürnte Diskussionen. Vor allem auch deshalb, weil gerade im Unternehmenssektor Microscopy wachsende Umsatz- und Gewinnzahlen vorgelegt wurden. Das ist auch so geblieben. Im ersten Halbjahr 2014/2015 ist der Umsatz nochmals um 9 Prozent gestiegen (Zeiss im Bild = ZiB aktuell vom 7.5.2015).
Schon der Headliner der aktuellen ZiB lautet allerdings:
"Es braucht größere Anstrengungen, damit wir unseren Erfolgskurs beibehalten" (Unterüberschrift: "Stabile Entwicklung der ersten Geschäftsjahreshälfte, aber stark durch günstige Währungseinflüsse geprägt") und es wird signalisiert, dass der Abbauzug weiterrollen soll.
Im weiteren Text wird dann erläutert, dass die Zielsetzungen noch weit höher angesetzt wurden.
Die Situation in Göttingen
Zur Zeit werden alle KollegInnen massiv unter Druck gesetzt, ihre Produktivität zu erhöhen. So werden alle Nebentätigkeiten abgefragt und dokumentiert (Nebentätigkeiten im Betrieb, das sind alle Arbeiten, die nicht direkt mit der Montage zu tun haben). Es wird weiterhin Arbeit an andere Firmen ausgelagert, die günstiger produzieren. Der Plan, dieses massiv auch in Richtung China zu tun, wird weiter verfolgt.
Im Standortbetriebsrat und in der Belegschaft Göttingen wurde das alles kritisch betrachtet und diskutiert. Der Gesamtbetriebsrat (GBR) hatte letztes Jahr die Standortbetriebsräte längere Zeit zur Nichtinformation über die Abbaupläne aufgefordert (um Unruhe zu vermeiden etc.). Die meisten taten das wohl auch.
Gesamtbetriebsrat stimmt zu
Und nun wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Mit einem Sonderinfo "Compete": 10 vom 21.5.2015 informiert der GBR, dass man sich mit der Geschäftsleitung auf ein Eckpunktepapier und ein Freiwilligenprogramm geeinigt hat. Vorbehaltlich der Zustimmung der Standortgremien sollte alles am 27.5. in einer GBR-Sondersitzung beschlossen werden. Und so geschah es auch. Mit dem nächsten Sonderinfo "Compete": 11 des GBR wurde der Beschluss am 28.5. verkündet. Dabei wurde in diesen Sonderinfos, wie auch in der Diskussion der Vergangenheit immer stark betont: "Keine betriebsbedingten Kündigungen durch ´Compete´!"
Freiwilligenprogramm und Standortsicherung
Betriebsbedingte Kündigungen sollen nun mit durch das Freiwilligenprogramm verhindert werden. Um die Freiwilligkeit zu fördern, gibt es eine Abfindungszahlung. Diese errechnet sich so: Monatsbrutto mal 0,65 mal Jahre im Betrieb plus 35.000 Euro (Turboprämie genannt). Die freiwillige Basis soll durch Aufhebungsverträge klargestellt werden. Diejenigen, die danach Arbeitslosengeld I beziehen können und wollen, laufen damit gleich Gefahr, die ersten 3 Monate von der Arbeitsagentur gesperrt zu werden. Hier werden Aufhebungsverträge in der Regel wie Eigenkündigungen gewertet. Versteuert werden müssen solche Abfindungen auch. Und so richtig lohnend wird das Ganze ja auch erst mit längerer Betriebszugehörigkeit. Der Arbeitsplatz ist aber weg und bleibt weg!
Die Standortsicherung läuft 2 Jahre, bis 2017. Bis dahin darf es auch keine weiteren betriebsbedingten Kündigungen geben. Kein berauschendes Ergebnis.
Nicht viel Zeit zum Nachdenken
Das Angebot über die Abfindungszahlung nebst Aufhebungsvertrag läuft bis 15. Juli 2015. Da bleibt nicht viel Zeit zum Überlegen und deshalb heißt die Turboprämie auch so.
Darüber hinaus gibt es noch eine sog. Vorruhestandsregelung. MitarbeiterInnen, die nur noch 5 Jahre bis zum frühesten Renteneintritt haben, bekommen ein gesondertes Angebot. Dazu soll es vor Ort noch Info-Veranstaltungen geben. Aber bis zum 15. August 2015 sollen sich auch hier alle entschieden haben. Ein Monat mehr, aber alles recht kurzfristig. Nicht nur deshalb stellt sich die Frage, wird es überhaupt genug Freiwillige und VorruheständlerInnen geben? Und wenn nicht, was dann? Es ist in den letzten Schreiben vom GBR und der Geschäftsleitung auch an einigen Stellen von einem Sozialplan die Rede. Schauen wir mal.
GBR-Politik
Zusammenfassend kann man sich schon fragen, ob der GBR mit der Zusage, bis 2017 keine betriebsbedingten Kündigungen zu erleben, hier wirklich den richtigen Weg einschlug. Vor allem, weil die Standortprüfungen in 2017 zumindest von der Geschäftsleitung als umfassend und existenziell angekündigt werden.
Die eigene Begründung im GBR-Info "Compete": 10 lässt uns auch etwas irritiert zurück: "Am Anfang unserer Verhandlungen zum Freiwilligenprogramm sah es nicht danach aus, dass die unterschiedlichen Vorstellungen von Arbeitgeber und GBR unter einen Hut zu bekommen wären. Da beide Seiten aber gewillt waren, einen Abschluss zu erzielen, gerade angesichts der weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Lage und der bestehenden Unruhe in der Belegschaft, einigte man sich bei den Knackpunkten auf Kompromisse."
Weiterhin schwierige wirtschaftliche Lage...bei Zeiss nicht so wirklich. Und die Unruhe entstand ja auch, weil die Planungen der Geschäftsleitung lange vom GBR nicht an die Belegschaften weitergegeben wurden. Nun denn, wir werden sehen, was passiert und weiter berichten.
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Aktualisierung, Oktober 2015:
Unterschreibt die Petition "Für den Erhalt des ZEISS Microscopy Standortes in Göttingen - Zeiss streicht in Göttingen über 400 Arbeitsplätze"
http://www.thepetitionsite.com/de-de/takeaction/797/293/686/