In Folge der Wirtschaftskrise wurden bereits viele Arbeitsplätze vernichtet und weitere sind bedroht. Im Falle befristeter und tarifvertraglich nicht geschützter Arbeitskräfte ist die Sache einfach. Ihre Verträge laufen aus und werden danach nicht verlängert, ansonsten reichen Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist. Bessere Chancen, ihren Arbeitsplatz zu behalten, haben Beschäftigte, die durch Tarifverträge - in gewissem Umfang - geschützt und von Betriebsräten - hoffentlich - vertreten werden. In diesen Fällen ziehen Unternehmen die Gründung einer Transfergesellschaft, manchmal auch Qualifikationsgesellschaft genannt, dem Weg über Kündigungen oft vor. Das klingt besser - richtig sozialverträglich - kann aber auch zum Nachteil der Beschäftigten sein.


Der theoretische Ansatz lautet wie folgt: Die Gesellschaften sollen den Übergang von einem Arbeitsplatz zu einem anderen erleichtern (im besten Fall) oder den Weg in die Arbeitslosigkeit abmildern. Es stellt sich die Frage, ob diese Instrumente den Betroffenen tatsächlich helfen können und welche Interessen dabei eine Rolle spielen.
In der Vergangenheit war es so: Nachdem ein Arbeitgeber die Entscheidung getroffen hatte, eine größere Anzahl an Arbeitnehmer/innen zu entlassen oder sogar einen Betrieb oder Betriebsteil zu schließen, ging es sehr oft für die Betroffenen nur um die Frage "Wie hoch ist denn meine Abfindung?".
Für Arbeitgeber und Betriebsräte stellen sich bei einem Personalabbau zwei Alternativen.

"Klassisch", wie das Gesetz es vorsieht!

Die Verhandlungen mit einem Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleich und Sozialplanes, das Anhörungsrecht vor Ausspruch der Kündigungen, Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit und die Einholung der Zustimmungen der Kündigungen beim Integrationsamt für die Schwerbehinderten sind einzelne Schritte, die vom Gesetzgeber vorgegeben sind. Diese Maßnahmen ziehen sich über mehrere Monate hin. Bei den langjährig Beschäftigten folgt dann noch eine Kündigungsfrist von 7 Monaten, die zu beachten ist. In der Regel brauchen die Beteiligten für den vorgenannten Prozess fast ein Jahr, bis die Gekündigten tatsächlich den Betrieb verlassen haben.
Jetzt beginnt noch die Unsicherheit für den Arbeitgeber, weil die Betroffenen sich gegen eine Kündigung beim Arbeitsgericht wehren können. Ein Rechtsstreit beim Arbeitsgericht in erster Instanz und zweiter Instanz dauert in der Regel mindestens 12 Monate. Während des Laufens der Kündigungsfrist sind die Arbeitnehmer noch im Betrieb und können z.B. Informationen für ihren anstehenden Arbeitsgerichtsprozess sammeln . Zum Beispiel über Umsatzentwicklungen oder über Sozialdaten der vergleichbaren Arbeitnehmer, die nicht gekündigt worden sind. Diese Arbeitnehmer sind ein gewaltiger Unruheherd im Betrieb. Um dies zu vermeiden, wollen die Arbeitgeber, dass Arbeitnehmer, die eine Kündigung erhalten haben, möglichst schnell aus dem Betrieb entfernt werden.

"Sozial" mit einer Transfergesellschaft

Es wird eine Transfergesellschaft gegründet. Hierfür stellen der Arbeitgeber und die Agentur für Arbeit Geld zur Verfügung. Die Agentur für Arbeit übernimmt zwischen 60% und 67% des Entgeltes, das sogenannte Strukturkurzarbeitergeld. Die Arbeitnehmer lösen aufgrund eines sogenannten dreiseitigen Vertrages (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Transfergesellschaft) ihr bisheriges Arbeitsverhältnis kurzfristig auf und begründen bei der Transfergesellschaft ein neues Arbeitsverhältnis. Der alte Arbeitgeber wird die Arbeitnehmer innerhalb weniger Tage los und neuer Arbeitgeber ist die Transfergesellschaft. Entscheidend für den Arbeitgeber ist, dass es sich bei diesem Vorgang nicht um Kündigungen handelt, so dass eine gerichtliche Überprüfung im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreites nicht möglich ist – denn der Beschäftigte hat ja dem Wechsel vertraglich zugestimmt. Weiterhin gibt es für den Arbeitgeber Planungssicherheit – er weiß, welche Arbeitnehmer er auf jeden Fall los ist und muss sich nicht mit Fragen der unternehmerischen Entscheidung und der durchgeführten sozialen Auswahl beim Arbeitsgericht auseinandersetzen. Wichtig ist auch, dass die betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr im Betrieb sind.
Den Arbeitnehmern, die von der Kündigung betroffen sind, werden folgende Argumente für die Transfergesellschaften genannt:

  • Statt Arbeitslosengeld gibt es Strukturkurzarbeitergeld und manchmal noch einen Aufstockungsbetrag vom alten Arbeitgeber.
  • Die Arbeitnehmer werden von der Transfergesellschaft sofort in eine andere Arbeit vermittelt.
  • Sollte es wieder freie Arbeitsplätze beim alten Arbeitgeber geben, werden zuerst die Arbeitnehmer/innen aus der Transfergesellschaft eingestellt.
  • Die Transfergesellschaft führt während des Laufens der Maßnahme erste Qualifikationsmaßnahmen, wie zum Beispiel Bewerbungstraining, durch.
  • Die im Sozialplan vereinbarte Abfindung wird sofort ausgezahlt.
  • Wenn die Arbeitnehmer/in keinen neuen Arbeitsplatz findet, schließt sich an die Transfergesellschaft noch die Zeit für das normale Arbeitslosengeld I an.

Alle größeren Unternehmen haben ein Interesse an einem guten Image. Es macht sich einfach nicht gut, es ist keine positive Botschaft, wenn in der Öffentlichkeit die Entlassung von Arbeitnehmern bekannt gegeben wird. Besser klingt da schon der Hinweis auf die schmerzliche Entscheidung und die Erklärung, dass den Gekündigten der Übergang in eine Transfergesellschaft ermöglicht wird. Zudem – darüber wird nur selten offen gesprochen – ist diese Alternative für den Arbeitgeber häufig billiger, weil der größte Teil der Kosten der Transfergesellschaft ja von der Agentur für Arbeit übernommen wird.
Wie soll der Betroffene sich jetzt entscheiden? Etwas verkürzt, heißt die Alternative Transfergesellschaften oder Kündigung.
Nachdem der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber den Interessenausgleich und Sozialplan inklusive der Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft vereinbart hat, werden die betroffenen Arbeitnehmer in die Personalabteilung gebeten. Ihnen wird die Situation geschildert. Der Interessenausgleich, manchmal auch mit der Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer und der anschließende Übergang in Transfergesellschaften erläutert. Abschließend wird dann verdeutlicht, dass eine Kündigung ausgesprochen wird, wenn der Betroffene dem Übergang in die Beschäftigungsgesellschaft nicht zustimmt. Der so informierte Arbeitnehmer bekommt einen mehrseitigen Vertrag mit dem Hinweis ausgehändigt, dass er eine Woche Bedenkzeit hat.
Der Arbeitnehmer geht dann hilfesuchend durch den Betrieb oder die Verwaltung. Arbeitgeber und Betriebsräte empfehlen den Übergang in die Transfergesellschaften. Kolleginnen und Kollegen ergänzen dies mit Kommentaren wie: "Mach es, Du hast sowieso keine Chance beim Arbeitsgericht" oder "Nimm möglichst schnell die Abfindung, wer weiß, wie es im halben Jahr bei uns aussieht". Der betroffene Arbeitnehmer muss in wenigen Tagen eine der wichtigsten Entscheidungen in seinem Arbeitsleben treffen. Entweder sich in die Transfergesellschaft begeben oder sich gegen die Kündigung wehren, ohne zu wissen, ob dies erfolgreich sein wird.

Warum vereinbaren Betriebsräte die Gründung von Beschäftigungsgesellschaften?

Betriebsräte haben in der Bundesrepublik keine Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Entscheidung zur Schließung eines Betriebes oder Betriebsteiles oder die Kündigung einer großen Gruppe von Arbeitnehmern ist eine freie unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers. Etwas verkürzt dargestellt, der Betriebsrat kann auf rechtlichem Weg mit Hinweis auf das Betriebsverfassungsgesetz Entlassungen nicht verhindern.
Die nicht gekündigten Arbeitnehmer sehen sich vom Betriebsrat gut betreut. Die von Kündigung Betroffenen sehen dies anders und sind vom Betriebsrat sehr enttäuscht.
Die Transfergesellschaften dienen also auch zur Beruhigung des schlechten Gewissens der Betriebsräte. Auf der anderen Seite verschaffen sie den Betroffenen aber ein Jahr mehr Zeit, einen anderen Arbeitsplatz zu finden ohne von Hartz IV abhängig zu sein.
Im Bereich der Beschäftigungsgesellschaften ist ein richtiger Markt vorhanden. Es gibt Träger von Transfergesellschaften, die Gewerkschaften und Betriebsräten sehr nahe stehen und deshalb die Betriebsräte bei den Überlegungen zur Gründung einer Transfergesellschaft unterstützen. Das geht so weit, dass Rechtsanwälte die den Betriebsrat bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleiches und Sozialplanes beraten, gleichzeitig Geschäftsführer der Transfergesellschaften sind, oder ein anderes Beispiel, wo ein Teil der Mitglieder des Gesamtbetriebsrates anschließend Mitarbeiter der Transfergesellschaften (Woolworth) werden.
Wenn jemand im Altersbereich von 60 Jahren ist, kann die Transfergesellschaft für ihn die Brücke aus dem Erwerbsleben, über Transfergesellschaften und dem anschließenden Bezug von 24 Monaten Arbeitslosengeld, in die Rente sein. Eine Unterschrift unter dem Vertrag ist dann nachvollziehbar.
Für den größeren Teil der Arbeitnehmer ist der Übergang in eine Transfergesellschaft der Einstieg in Arbeitslosigkeit ohne dies ohne dass eine gerichtliche Überprüfung möglich oder aussichtsreich ist.

Welche Forderungen sollte man stellen?

  • Arbeitnehmer, die vor der Frage stehen, Transfergesellschaften oder nicht, müssen eine angemessene Bedenkzeit haben.
  • Die Betroffenen müssen die Möglichkeit bekommen, sich arbeitsrechtlich beraten zu lassen.
  • Die Arbeitnehmer müssen vom Betriebsrat oder Arbeitgeber den Interessenausgleich und den Sozialplan ausgehändigt bekommen.
  • Eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer darf nicht zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart werden. Wenn eine solche Liste besteht, braucht das Arbeitsgericht die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Die Prozesschancen sinken für den betroffenen Arbeitnehmer erheblich.
  • Wenn ausländische Arbeitnehmer betroffen sind, sollten die Verträge besonders ausführlich erläutert werden.
  • Sollte eine soziale Auswahl stattgefunden haben, muss der Arbeitgeber oder der Betriebsrat dem betroffenen Arbeitnehmer die soziale Auswahl erläutern.

Ganz wichtig: niemand sollte sich drängen lassen, unter Zeitdruck einen dreiseitigen Vertrag oder einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Bei einem Arbeitsvertrag gelten nicht die Regeln eines Haustürgeschäftes, wo man für die Rücknahme einer Unterschrift unter ein Abo z.B. zwei Wochen Bedenkzeit hat. Unterschrieben ist unterschrieben, da kann dann kein Rechtsanwalt mehr helfen. Also vorher Rechts- und Sozialberatung einholen beim Betriebsrat und bei der Gewerkschaft. Die Rechtsstellen der Gewerkschaften können auf jeden Fall erfahrene Arbeitsrechtsanwälte nennen – nicht jeder Rechtsanwalt, der ein tolles Türschild hat, ist das Geld auch wert, das man ihm für die Beratung zahlen muss.