Unter den Mitgliedern der IG Metall herrschte Zufriedenheit als Ende Mai aus Frankfurt das Ergebnis der Tarifverhandlungen mit den Leiharbeitsverbänden iGZ und BAP verkündet wurde. Endlich schien Bewegung in die festgefahrene Situation zu kommen, die durch die ausufernde Beschäftigung von LeiharbeiterInnen in den Betrieben entstanden ist. Drei Jahre lang hat die IG Metall ihre „Equal Pay"-Kampagne durchgeführt – jetzt endlich ein Erfolg.
Der politische Stimmungswandel lag schon länger in der Luft. Immerhin schreibt die EU das Prinzip „Gleiche Arbeit – gleiches Geld" auch für LeiharbeiterInnen schon lange vor. Spätestens Ende 2011 hätte die entsprechende EU-Richtlinie auch in Deutschland umgesetzt sein müssen. Die Bundesregierung wollte das Zeitarbeitsgesetz nicht ändern und hat den Tarifparteien den Auftrag gegeben, die Gleichstellung umzusetzen. Dabei zeichnete sich mit Beginn der Tarifverhandlungen eine Spaltung der Gewerkschaften ab: auf der einen Seite die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die den DGBBeschluss zu „Equal Pay" durchsetzen wollte und auf der anderen Seite die Industriegewerkschaften, allen voran IG Metall und IG BCE, die wohl eine völlige Gleichstellung von LeiharbeiterInnen und Stammbeschäftigten für unrealistisch hielten. Vor diesem Hintergrund war die Einigung auf Branchenzuschläge bei den Industriegewerkschaften ein wichtiges politisches Signal – der Zug für eine Einigung auf „Equal Pay" ist erst einmal abgefahren. Die Zeitarbeitsbranche verkündete nach dem Abschluss mit der IG Metall, dass mit den Branchenzuschlägen die Forderung nach gleicher Bezahlung faktisch umgesetzt sei – und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen setzte gleich noch eins drauf: „Eingriffe der Politik in die Tarifautonomie sind damit überflüssig."
Im Klartext: das war's dann. Leider ist das Tarifergebnis aber als Vorbild für die Dienstleistungsbranchen völlig ungeeignet: Erst nach 6 Wochen gibt es einen Zuschlag von 15%, der sich in Stufen bis auf 50% nach neun Monaten steigert. Schon in der Metallbranche erreichen viele LeiharbeiterInnen den höchsten Zuschlag von 50% nie, weil sie gar nicht so lange in die gleiche Firma entsendet werden. Viel finsterer sieht es in der Dienstleistungsbranche aus, wo viele nicht einmal die erste Stufe erreichen würden, weil sie gar nicht sechs Wochen hintereinander im gleichen Betrieb arbeiten.
Selbst für lang beschäftigte LeiharbeiterInnen kann aber von gleicher Bezahlung keine Rede sein: zum einen sind die Zuschläge bei 90% des tariflichen Durchschnitts gedeckelt und zum anderen werden Urlaubs- und Weihnachtsgeld ebenfalls nicht gezahlt, so dass sie selbst nach neun Monaten immer noch ca. 20% weniger bekommen als StammarbeiterInnen. Das Modell der Branchenzuschläge taugt also allenfalls als Übergang, um die Leiharbeitsbranche vor dem Kollaps zu bewahren, den sie immer heraufbeschwört, wenn von gleicher Bezahlung die Rede ist. Und wir fragen uns schon, warum die Verhandlungsführer der IG Metall diesen äußerst faulen Kompromiss mit einer Laufzeit von fünf Jahren abgeschlossen haben.
Trotzdem überwiegen im Moment bei den KollegInnen noch die positiven 3 Stimmen. Die „Festen" sind zufrieden, weil sie ein latent schlechtes Gewissen los sind angesichts ihrer zum Teil massiv höheren Löhne und sie wissen auch, dass das Drohpotential mit der billigeren Leiharbeits-Konkurrenz damit geringer wird. Und die LeiharbeiterInnen freuen sich immerhin über die Aussicht auf eine feste Übernahme – wenn sie denn lange genug in einer Metallfirma durchhalten. Und ab Anfang November dürfen sich die ersten Beschäftigten in der Metallbranche von den Zuschlägen profitieren. Wir können nur hoffen, dass sie die Zuschläge bekommen, denn bereits jetzt zeichnet sich ab, wie die Zeitarbeitsfirmen die Regelungen umgehen: die Beschäftigten werden kurz vorher aus den Betrieben abberufen und in andere Betriebe gesteckt. Durch Rotation kann so dafür gesorgt werden, dass die gesamte Tarifeinigung Makulatur ist. Die einzige Reißleine gegen diese Art der Unterlaufung des Tarifs sind die Betriebsräte in den Entleihbetrieben, die (einige wenige) juristische Mittel dagegen haben. Wie kommt der IG-Metall-Vorstand nur auf die Idee, die Betriebsräte könnten den Tarifvertrag nachbessern, wo er sich in den Verhandlungen hat über den Tisch ziehen lassen? Der IGMetall- Vorstand dürfte vermutlich darauf verweisen, dass „mehr nicht drin war" und auf die Verhandlungen bei ver.di verweisen, die nicht recht vorangehen wollen. Das Ausscheren aus der Solidarität hatte aber politische Signalwirkung – jetzt dürfte es umso schwerer sein, die gleiche Bezahlung für LeiharbeiterInnen durchzusetzen.
Zur Zeit jedenfalls scheint es so als seien auch die Großen der Leiharbeitsbranche bereit, alles nur Erdenkliche zu tun, um die Bedingungen des neuen Tarifs zu umgehen und ihr Image als gewissenlose Sklavenhändler nicht zu beschädigen. Die Ungleichbehandlung der LeiharbeiterInnen wird wohl erst ein Ende haben, wenn das Zeitarbeitsgesetz geändert und endlich gesetzliche Mindestlöhne festgesetzt sind. Bis dahin haben wir noch einiges zu kämpfen.