Wie weiter nach der Schlichtung?

 

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Update 7. August 2015:

Die ver.di-Basis hat mit knapp 70% den Schlichterspruch abgelehnt! Dies ist ein klares Signal an die ver.di-Führung, die deutlich für die Annahme plädiert hatte.

Nun muss in Ruhe ausgewertet und sich neu gesammelt werden. Klar scheint: Die Zeit fauler Kompromisse ist vorbei!

Im Folgenden dokumentieren wir den Beitrag von StreikaktivistInnen aus dem Juli, der einen Weg jenseits der Annahme des enttäuschenden Schlichterspruchs und einem „einfach Weiterstreiken" skizziert. Außerdem ist der Aufruf der ver.di Betriebsgruppe Werkstatt Bremen "Kein Abschluss ohne Aufwertung" eingestellt.

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Die Streikbewegung im Sozial- und Erziehungsdienst war ein historischer Aufbruch und eine machtvolle Demonstration gesellschaftlicher Möglichkeit von Veränderung. Für viele überraschend: mit der Aufwertungskampagne stellte sich ver.di an die Spitze einer gesellschaftlichen Emanzipationsbewegung. Und auch wenn diese vorerst gescheitert ist, wurde in der Auseinandersetzung eine unglaubliche Kraft und Dynamik sichtbar. Nun stehen nicht nur führende ver.di-Funktionäre vor einem Dilemma, auch die Streikenden selber müssen in Ruhe über das wie weiter beraten. 

I Worum es in dieser Auseinandersetzung geht

Es ist eine Binsenweisheit, dass Frauen auch im 21. Jahrhundert systematisch diskriminiert werden. Diese gesellschaftliche Ungleichbehandlung wird u.a. jedes Jahr am Equal Pay Day auch von den Gewerkschaften kritisiert, verdienen doch Frauen im Schnitt ca. ein Viertel weniger als Männer. Vor allem sogenannte Sorgearbeit (Care-Work) wird gesellschaftlich immer noch Frauen zugewiesen, wenig geachtet und schlecht bezahlt, z.B. im Vergleich mit industrieller Produktionsarbeit oder manch anderer „männlicher" Dienstleistungsarbeit, etwa im Bankenwesen.
Als ver.di nun zur „Aufwertungskampagne" rief, traf die Gewerkschaft einen Nerv. Es bewahrheitet sich einmal mehr: Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Was allerdings die Spitzenfunktionäre nicht verstehen: Die systematische Geringschätzung, gegen die sich Viele in der Aufwertungskampagne engagieren, drückt sich in vielfältigen Formen aus. Und die schlechte Bezahlung ist nur ein Aspekt! Tatsächlich geht es um viel mehr: um Würde und Respekt. Weil es aber um so viel geht, stellt sich nun das Ergebnis der Schlichtung auch als schmachvolle Niederlage dar, als „schlechter Witz", wie es eine Erzieherin zutreffend in der Süddeutschen Zeitung formulierte. Dieser Vorschlag kann nicht angenommen werden.
Nicht nur die Spitzenfunktionäre stehen damit aber vor einem Dilemma: Das Schlichtungsergebnis kann nicht angenommen werden, Weiterstreiken geht aber auch nicht! Denn erstens würde die veröffentlichte Meinung sich vor dem Hintergrund des medial inszenierten Schlichter-Kompromisses gegen die Streikenden wenden und diese zermürben, zweitens beginnen die Sommerferien und danach die besonders sensible Eingewöhnungszeit für Kinder in den Kitas und drittens gibt es keine neue und bundeweit abgestimmte Eskalationsstrategie, mithin auch keine realistische Perspektive, nach einem möglicherweise wochenlangen Weiterstreiken mehr rauszuholen. Was also tun?

II Der selbstbewusste dritte Weg

Es gibt einen dritten Weg, der allerdings in den Köpfen der Spitzenfunktionäre kaum vorkommt - und für dessen Eröffnung deshalb hart, auch in den Gewerkschaften gestritten werden muss.
Er lautet: Wir nehmen den Schlichtungsvorschlag nicht an, wir pfeifen auf die paar Euros mehr, lassen (selbst-)bewusst die Entgeltordnung offen und setzen uns in den kommenden Monaten zusammen, um in Ruhe auszuwerten, was in dieser Streikbewegung gut gelaufen ist und was nicht. Wir stellen uns neu auf, für den dritten und dann zwingenden Anlauf für eine gesellschaftliche Aufwertung der Sozial- und Erziehungsarbeit.
Nun werden viele einwenden, dass ginge doch nicht. Es wird uns erklärt werden: „GEW und Beamtenbund würden annehmen und unsere KollegInnen könnten dann nicht alleine auf mehr Geld verzichten. Oder: Die Arbeitgeber würden die offene Entgeltordnung für Verschlechterungen ausnutzen und überhaupt – es wäre ein Eingeständnis von Schwäche, das ginge gar nicht."
Wir halten dagegen: Den lächerlichen Schlichtervorschlag anzunehmen wäre entwürdigend - dafür haben wir nicht gekämpft! Und ja, wir waren noch nicht stark genug zu gewinnen, aber wir müssen auch keine entwürdigende Niederlage akzeptieren, die uns spaltet und auf Jahre schwächt!
Wir glauben auch nicht, dass die Arbeitgeber es wagen würden, eine offene Entgeltordnung für Verschlechterungen auszunutzen. Denn wir lassen sie nicht aus eigener Schwäche offen (wie z.B. lange im Tarifvertrag der Länder), sondern aus einer Position der Stärke! Und würden sie es doch wagen Verschlechterungen vorzunehmen, würde solch ein unmoralisches Handeln unsere Organisierung und Entschlossenheit nur noch weiter stärken!
Wir können also selbstbewusst sagen: Es hat noch nicht gereicht – lasst uns gemeinsam überlegen, wie wir so stark werden können, dass wir die notwendige Aufwertung beim nächsten Anlauf erzwingen können.

Dazu müssen wir

  • ver.di noch viel besser als Gesamtorganisation aktivieren, vielleicht beim nächsten Mal auch die privaten und frei-gemeinnützigen Einrichtungen mit in die Auseinandersetzung einbeziehen;
  • wir müssen daran arbeiten, die KollegInnen der anderen Gewerkschaften für eine Unterstützung zu gewinnen;
  • mit den Eltern langfristig und systematische die Auseinandersetzung vorbereiten
  • in Folge mehr Druck auf PolitikerInnen auf den unterschiedlichen Ebenen ausüben (kommunal, Landes- und Bundesebene),
  • selbst und in den Medien die Verlogenheit der PolitikerInnen entlarven, die bei Sonntags- und 1. Mai-Reden gerne Unterstützung für die Aufwertungsforderung heucheln, jetzt als es darauf ankam, aber in ihrer Funktion als öffentliche Arbeitgeber die notwendige Unterstützung verweigerten.

III ver.di muss den Weg frei machen

Wir Streikende sagen also nicht, dass Bsirske uns „verraten" hat. Es fühlt sich aber wie „Verrat" an, wenn uns Funktionäre jetzt zur Annahme dieses miesen Schlichtervorschlages drängen!
Es war auch nicht die Schuld der Spitzenfunktionäre, dass wir momentan noch nicht stark genug sind, um die notwendige Aufwertung zu erzwingen. Allerdings machen sich Funktionäre jetzt schuldig, wenn sie uns tatsächlich in eine miese Niederlage drängen, die sich demoralisierend auf die neu gewonnenen und aktivierten KollegInnen auswirkt, ganz zu schweigen von der fünf-jährigen Friedenspflicht!
Auch Spitzenfunktionäre müssen sich also entscheiden: Soll ein Bsirske in die Geschichtsbücher eingehen als derjenige, der die gesellschaftliche Emanzipationsbewegung abwürgt? Oder will Bsirske die Option eröffnen, in seiner nächsten Amtsperiode die historische Aufwertung zumindest maßgeblich mit zu organisieren?
Wir gewerkschaftliche Aktiven werden auf jeden Fall für diese Option streiten und sind zuversichtlich, dass wir in der Mitgliederbefragung eine deutliche Ablehnung des entwürdigenden Schlichtervorschlags erreichen!

 

Aufruf der ver.di Betriebsgruppe Werkstatt Bremen "Kein Abschluss ohne Aufwertung"