1989: Wir sind das Volk

2012: Wir sind Europa?

Von der Krise des Sowjetkommunismus zur Krise des neoliberalen Kapitalismus

„Wir sind das Volk“ – mit dieser Parole trieben die ostdeutschen Montagsdemonstranten im Herbst 1989 eine völlig verknöcherte Staats- und Parteiführung zur Aufgabe. Die Hoffnungen der Demonstranten auf eine demokratische Erneuerung der DDR erfüllten sich allerdings nicht. Schon im Frühjahr 1990 hieß es „Wir sind ein Volk“; im Sommer folgte die deutsch-deutsche Währungsunion und im Herbst der Beitritt zur Bundesrepublik. Nach deutscher Einheit und dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus in Osteuropa waren die Weichen für Privateigentum und Profit, Europäische Währungsunion und EU-Osterweiterung gestellt. Zwanzig Jahre später legt eine von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise die massiven Ungleichgewichte offen, die sich in der Zwischenzeit innerhalb der EU aufgestaut haben.

die Stümperei geht weiter

In unserer vorigen Ausgabe (die leider schon länger zurückliegt, als uns selbst lieb ist) waren etliche der anstehenden Gesetzesänderungen, die im Wesentlichen durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Februar 2010 über die Verfassungsrechtmäßigkeit der Regelbedarfssätze nötig wurden, noch nicht beschlossen worden.
Inzwischen wissen wir einiges mehr und genauer. Die meisten Änderungen wurden präzisiert und das Bildungspaket eingeführt.

Wenn man den Veröffentlichungen über Sartorius Glauben schenken darf, dann ist die Welt dort in Ordnung. Der Umsatz hat im Jahr 2011 alles übertroffen, was die Firma bisher gesehen hat. Insgesamt betrug der Umsatz 733 Mio. Euro. Das sind über 11% mehr als im auch schon guten Jahr 2010. Außerdem wurden Gewinne gemacht wie noch nie in der Firmengeschichte. Die Aktionäre erhalten 80 Cent Dividende pro Stammaktie (Vorjahr 60 Cent je Stammaktie).

Wachstum - in welche Richtung?

Was in der Presse nach einer großen Erfolgsgeschichte aussieht, verursacht je nach Zufälligkeit der individuellen Arbeitssituation Freude oder aber auch Bauchgrimmen.

Cinemaxx:

Seit dem 1. Januar 2012 herrscht im Cinemaxx tarifloser Zustand: nach 4jähriger Laufzeit war der seit 2008 geltende Firmentarifvertrag zum Jahresende ausgelaufen. Schon diesen hatte sich die Belegschaft in einem lange andauernden Arbeitskampf erstreiten müssen. Und diesmal ist es nicht anders: angesichts des Unwillens der Arbeitgeberseite, zügig in zielführende Verhandlungen einzutreten, begann die Belegschaft in Göttingen am 10. Februar mit einem ersten Warnstreik, dem seitdem 4 weitere folgten, der jüngste fand am 11. April statt.

Von abhängig Beschäftigten wird Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Kompetenz, Flexibilität und vieles mehr verlangt. Im sogenannten Dienstleistungssektor soll insbesondere Frau auch noch dauernd freundlich grinsen und jede/n nach dem persönlichen Befinden fragen. Das ist ja wohl das Mindeste, was man (in diesem Falle das Unternehmen) von seinen Mitarbeiterinnen verlangen kann. Ach ja, wirklich?

Zunächst glaubten viele an einen April­scherz, doch schnell war klar: die ver.di-Tarifrunde ist wirklich schon zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat. Nachdem 300.000 KollegInnen im Warnstreik waren und Kindergärten, Busse, Krankenhäuser den Betrieb einschränken mussten, kam am 31. März die überraschende Einigung: 3,5% mehr in diesem Jahr, 2,8% mehr im nächsten Jahr. Erst auf den zweiten Blick wurden die Kröten sichtbar, die die KollegInnen jetzt schlucken müssen: zwei Jahre Laufzeit, keine 200 Euro Festbetrag, der für die KollegInnen in den unteren Lohngruppen eine spürbare Erleichterung gewesen wäre und Verzicht auf 1 Tag Urlaub für die KollegInnen im Alter zwischen 40 und 55.

 Zwei Jahre Betriebsratsarbeit: viele GewerkschafterInnen, langjährige Personalratsvorsitzende oder Ehrenamtliche müssen wahrscheinlich schmunzeln und fragen sich: „Gibt es da etwas zu feiern?“ Für die inzwischen ca. 150 Beschäftigten des mittelständischen Instituts für angewandte Sozialfragen – einer regionalen gemeinnützigen Einrichtung aus Göttingen mit den Schwerpunkten Rehabilitation, Jugendhilfe, Ambulante Angebote und Bildung – schon, denn der Weg zum Status Quo war nicht immer leicht.