Tolle Nachrichten über Mahr gab es im März im Göttinger Tageblatt zu lesen: Über eine Million Euro hat der Göttinger Messgeräte- und Anlagenhersteller in den Ausbau eines neuen Ausbildungszentrums am Brauweg investiert. Die zur Zeit 40 zukünftigen IndustriemechanikerInnen und ElektronikerInnen sollen so bessere Lernbedingungen erhalten. Tatsächlich ist das qualitative Niveau der Ausbildung hoch: zweimal schon kam der Bundessieger im Bereich IndustriemechanikerIn aus dem Göttinger Betrieb. Stolz verkündete Geschäftsführer Gais: „Mahr übernimmt nahezu alle Auszubildenden und auch die Studenten aus dem Praxisverbund!“ Das ist erfreulich für die Auszubildenden, ist aber auch nicht so aufregend, da der Tarifvertrag der IG Metall die unbefristete Übernahme der Auszubildenden ja seit einem Jahr als Regelfall vorsieht. Aber sicher freuen sich die GBE-LeserInnen mit über die erfolgreiche Ausbildung bei Mahr und über den erfolgreichen Kampf der IG-Metall- Jugend bei der „Operation Übernahme“.

Was bei allem Jubel über das Ausbildungszentrum nicht in der Presse erscheint, ist die Tatsache, dass der Umbau der alten Halle der ehemaligen Firma Muster-Schmidt nur eine Notlösung ist. Der Platz reicht längst nicht mehr in den bisherigen Mahr-Gebäuden, ein Neubau wäre überfällig, aber die Geschäftsführung kann sich nicht dazu durchringen, das nötige Geld dafür auf den Tisch zu legen. So hat man sich halt noch mal kurzfristig ein wenig Luft verschafft.


FAMILIENFREUNDLICHES FAMILIEN UNTERNEHMEN
Ebenfalls in den Schlagzeilen war Mahr im August letzten Jahres für die erneute Überreichung des Sonderpreises „Familienfreundliches Unternehmen“ durch Niedersachsens damalige Sozialministerin Aygül Özkan. (Wer das jetzt richtig toll findet, darf Mahr mal bei facebook liken.) Und im September konnte Mahr beweisen, dass nach der Krise 2009 und dem insgesamt nicht sehr glücklich verlaufenen Engagement bei Federal in den USA (Mahr hatte 1999 den amerikanischen Messgerätehersteller Federal gekauft) die Finanzwelt wieder Vertrauen gefasst hat. Die Rating-Agentur Hoppenstedt hat Mahr für 2012 die Bestnote 1 verpasst. Angesichts der deutlich verbesserten Gewinnmarge ist das ja kein Wunder. Im Jahr 2011 hat der Mahr- Konzern mehr als 26 Mio. Euro Gewinn gemacht (Umsatzrendite von 13,5%) und das Jahr 2012 ist dem Vernehmen nach auch nicht schlecht gelaufen.


OPFER WERDEN KLEINER
In den Zeiten der Krise mussten die KollegInnen hinnehmen, dass es statt Sonderzahlungen Sonderopfer gab, d.h. sie mussten auf einen Teil von Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten. Die gute Geschäftsentwicklung hat zumindest einen positiven Effekt: es gibt die Hälfte des 'Sonderopfers' wieder zurück. Aber von den schlechten Zeiten mit Kurzarbeit und ständiger Angst um den Arbeitsplatz sprich heute niemand mehr. Die KollegInnen sind froh, dass diese schwierige Zeit ohne Kündigungen überstanden wurde, und längst gibt es auch wieder Leiharbeiter im Hause.

Allerdings ist die Konjunktur geteilt. Der Bereich Spinnpumpen, der einen starken Absatzmarkt in der asiatischen Textilindustrie hat, freut sich über gefüllte Auftragsbücher. In Teilen der Messtechnik, die z.B. viele Kunden in der europäischen Automobilindustrie hat, ist der Auftragseingang eher ein bisschen schleppend. Andere Bereiche der Messtechnik, die Sonderlösungen für Kunden anbieten, wissen wieder gar nicht, wie sie das alles schaffen sollen.


TARIFFLUCHT?
Unsicherheit bei den KollegInnen hat die Unternehmensleitung aber mit einem Coup verbreitet, der im Oktober letzten Jahres holterdipolter über die Bühne ging. Da wurden 40 KollegInnen hauptsächlich aus dem Rechnungswesen in eine Mahr GmbH & Co KG überführt. Solch eine Firma wird normalerweise aus gegründet, um Steuern zu sparen („Steueroptimierung“ wird das im Finanzjargon genannt). Die KollegInnen sind bei einem solchen Betriebsübergang eine gewisse Zeit vor Veränderungen geschützt. Der Betriebsrat bleibt übergangsweise für 6 Monate für sie zuständig und die Arbeitsverträge dürfen ein Jahr lang nicht zum Nachteil der KollegInnen verändert werden. Aber was nach dieser Frist kommt, ist völlig offen. Die neue Firma ist nicht im Arbeitgeberverband und damit tariffrei, die Geschäftsführung kann nach einem Jahr also frei schalten und walten. Da fragen sich die KollegInnen schon, was Herr Gais mit dieser Operation bezweckt – schließlich ist es in anderen Firmen durchaus üblich, in einem solchen Fall eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat über Zuständigkeiten und die Tarifzuständigkeit abzuschließen.

Soll da wieder einmal versucht werden, sich aus dem Flächentarif zu stehlen? Die KollegInnen müssen aufpassen, dass Ihnen hier nicht die Butter vom Brot genommen wird.