Viel gepriesen als effektives Mittel der Wahl zur Verhinderung von Firmenpleiten und dem daraus resultierenden Verlust von Arbeitsplätzen, hat die Kurzarbeit in Zeiten der Krise nicht nur eine gute Publicity in den Medien, sondern Hochkonjunktur auch in Göttinger Betrieben.
Firmen in finanziellen, existenzbedrohenden Schwierigkeiten können ihre Beschäftigten in Kurzarbeitsphasen durch staatliche Subventionen weiter beschäftigen, um so zum Einen den Betrieb zu erhalten und zum Anderen die Existenz der Beschäftigten zu sichern. So zumindest der Plan. Allerdings sollte dies Anlass zu einem skeptischen Blick auf die Betriebe sein, welche so versuchen, durch die ‚Krise’ zu lavieren.


Colwell Industries verfügt über ein ‚globales Netzwerk von Fertigungsstätten und Vertriebsniederlassungen’. Eine dieser Fertigungsstätten befindet sich auch hier in Göttingen und ist von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen. Weshalb sonst sollte man die Beschäftigten dort über einen sehr langen Zeitraum Kurzarbeit machen lassen?

Nix ist gerettet

Gerettet ist dadurch allerdings gar nichts – zumindest nicht die Arbeitsplätze und somit die Einkommen der dort Beschäftigten! Bereits seit mehreren Jahren müssen die Kolleginnen und Kollegen der Firma Colwell (vormals McCorquodale) finanzielle Verluste hinnehmen. Die Lage sei dramatisch schlecht, wurde die Firmenleitung nicht müde, den Beschäftigten einzureden.
Weihnachts- und Urlaubsgeld wurden nicht mehr gezahlt, aber auf die Anschaffung neuer großer Firmenwagen nicht verzichtet. Diese seien der Firmenleitung schließlich per Arbeitsvertrag zugesichert, hieß es. Die per Arbeitsvertrag der Kolleginnen und Kollegen geregelten Arbeitszeiten und deren Bezahlung hatte hingegen in diesen Zeiten der ‚Not’ keine Gültigkeit mehr. Unbezahlte Mehrarbeit zur Rettung (... tja, wovon eigentlich? - der Beschäftigungsverhältnisse oder eher des Gewinns?), war an der Tagesordnung.
Und als dann wenig zu tun war, war eine besonders kostengünstige Alternative greifbar nah – Kurzarbeit musste her.
Ob die Auftragslage tatsächlich derart schlecht war, darf bezweifelt werden, denn wie bereits erwähnt, agiert Colwell global. Es gibt in den USA, in Kanada, in Belgien und in Frankreich weitere Fertigungsstätten und Skeptiker dürfen sicher mit Recht annehmen, dass einige Aufträge nun statt in Göttingen in einem der anderen Werke ausgeführt werden.
Kann man es Colwell verdenken? Es handelt sich schließlich um ein profitorientiertes Unternehmen, welches genau nach den Gesetzmäßigkeiten des Systems handelt – Mitnehmen was geht. Die Kontrollen durch staatliche Stellen sind anscheinend eher dürftig.

Nix hat geholfen

Nach langem Gezerre vor allem an den Nerven der Kolleginnen und Kollegen ist das Göttinger Werk durch die Kurzarbeit … oh nein, nicht etwa gerettet, sondern insolvent.
Die Beschäftigten wurden monatelang unter Druck gesetzt, haben unbezahlte Mehrarbeit geleistet, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet, sich aufgerieben und für wenig Geld Kurzarbeit gemacht und nun droht vorerst 25 von ihnen die Entlassung. Und wenn sich kein Geldgeber findet, dann kann das die Arbeitsplätze von bis zu 80 Kolleginnen bedrohen.