In 11 Jahren seit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches II (welches vieles, aber beileibe nicht alles zum Arbeitslosengeld II regelt) hat dieses Gesetz bereits die 9te Änderung erfahren. Und fast nie ist etwas verbessert worden (zumindest aus Sicht der Betroffenen). Meist ist das Gegenteil der Fall oder die Neuerungen sind unzulänglich.
In unserer letzten Ausgabe, Nr. 197, berichteten wir über die Änderungen im Wohngeldgesetz und die bevorstehende 9te Änderung zum SGB II. Im August ist diese dann durch Bundestag und Bundesrat beschlossen worden.
Wir rufen uns in Erinnerung: zu den umstrittenen Sanktionen (insbesondere im Bereich der unter 25jährigen) wurde nichts entschärft oder zurückgenommen. Sie wurden einfach gar nicht behandelt. Ein anderer heftig umstrittener Punkt war der Abzug vom Regelbedarf der Kinder von getrennt lebenden oder alleinerziehenden Eltern. Für die Tage, die ein Kind nicht bei dem Elternteil lebt, welches im Leistungsbezug von ALG II ist, sollte die entsprechende Summe anteilig heraus gerechnet werden. Und mal wieder liefen die Betroffenen und Organisationen und Institutionen, die deren Situation kennen und sich für sie einsetzen (vom DGB über die Wohlfahrtsverbände bis hin zu Erwerbslosengruppen und anderen Vereinen und Einrichtungen), Sturm dagegen. Mit Erfolg. Dieses Vorhaben wurde gecancelt.
Durchaus positiv und tatsächlich auf beiden Seiten vereinfachend (weil Arbeit ersparend), ist die Verlängerung des Bewilligungszeitraumes von einem halben auf ein ganzes Jahr. Ebenfalls können jetzt Auszubildende unter bestimmten Bedingungen ALG II beantragen.
Den wenigen positiven Punkten stehen aber wieder eine Reihe von Negativentwicklungen gegenüber. Menschen, die ergänzendes ALG II bekommen oder auch Selbstständige haben oft jeden Monat eine andere Einkommenssumme (bei Selbstständigen manchmal auch gar nichts). Üblich ist, dass sich die Sachbearbeitung des Job-Centers und die Betroffenen dann auf einen Zeitraum einigen (meist ein halbes Jahr), in dem eine bestimmte Summe pauschal abgezogen wird und nach dem Zeitraum wird konkret abgerechnet. Die Einkommensbereinigung läuft so (jede/r in einer Bedarfsgemeinschaft, der oder die arbeiten, hat diese Bereinigungsmöglichkeit):
100 Grundfreibetrag; 20 Prozent Freibetrag von 101 bis 1.000 Euro; 10 Prozent von 1.001 bis 1.200 (bei minderjährigen Kindern in der BG sogar bis 1.500 Euro) Freibetrag. Dazu werden sämtliche Steuern und Sozialabgaben zu Gunsten der Leistungsbeziehenden abgezogen.
In Zukunft sollen im Verlaufe des Abrechnungszeitraumes nur die 100 Euro Freibetrag angerechnet werden können und alle darüber hinausgehenden Freibeträge nicht gleich abgezogen werden. Erst nach dem Zeitraum wird konkret abgerechnet, aber nur, wenn die betroffene Person das auch beantragt!! Es fehlt in diesem halben Jahr also Monat für Monat Geld zum Leben und wenn jemand die neue Regelung des Beantragens nicht kennt, sagt das Job-Center noch zusätzlich "Ätsch". Du bekommst auch keine nachträgliche Bereinigung mehr?! Das kann es doch nun wirklich nicht sein. Schon bei dieser Regelung können wir nur hoffen, dass die Sozialgerichte mit solchem Unfug Schluss machen.
Noch skurriler ist eine neue Sanktionsandrohung. Sie firmiert unter dem Begriff: "sozialwidriges Verhalten".
Wer eine vorgeschlagene Stelle ablehnt, sich nicht vorstellt etc., kann mit jahrelangen Geldabzügen vom monatlichen Regelbedarf rechnen. Das Job-Center soll dann herausbekommen, ob die Person diese Stelle bekommen hätte, was sie verdient hätte. Diese Summe kann dann jahrelang verrechnet werden. Mal davon abgesehen, dass kaum vorstellbar ist, wie das in der Praxis umgesetzt werden kann: wer solche Gesetze bzw. Gesetzesteile beschließt, muss die betroffenen Menschen wohl eher als Feinde betrachten, weniger als Hilfsbedürftige.