Die Krise ist vorbei – das hören wir überall in den Medien. Normalerweise unterlegt mit Bildern aus geschäftigen Containerhäfen oder von den Fließbändern der Automobilindustrie. Dass die Krise aber tiefe Spuren hinterlässt, zeigt das Beispiel von Sartorius.
Auf gut deutsch: die Produktion kommt nicht hinter der Nachfrage her. Mit gesundem Menschenverstand würde man sagen: Ärmel hochkrempeln, Leute einstellen. Nicht so bei Sartorius. Auf der letzten Betriebsversammlung der Mechatronik hat Vorstandschef Kreuzburg betont, dass die Produktion längst in der Lage ist, die laufenden aktuellen Aufträge abzuarbeiten. Leider gäbe es da aber so einen Auftragsberg, den man vor sich her schieben müsse, weil ja Kurzarbeit ist. Aus seiner Sicht gäbe es schon zu viele Mitarbeiter in der Fertigung.
Hinter vorgehaltener Hand munkelt man, dass die Geschäftsführung nur darauf wartet, dass sie die Kurzarbeiter erfolgreich in eine Transfergesellschaft „überführt“ hat – dies soll zum Ende des Jahres 2010 geschehen. Dann kann sie endlich wieder billige Leiharbeiter einstellen, Arbeitszeitkonten hochfahren und den Auftragsberg abbauen. Es kann allerdings gut sein, dass die Rechnung ohne den Markt gemacht wird. Viele Kunden sind ungeduldig und wollen Lieferzeiten von mehreren Monaten nicht akzeptieren. Sie wandern entweder ab zur Konkurrenz, die mit kürzeren Lieferzeiten wirbt, oder sie lassen sich die Wartezeit mit Extrarabatten versüßen – beides schmälert letztlich den Gewinn der Mechatronik-Sparte. Dass es eine Betriebsvereinbarung gibt, die im Falle steigender Aufträge die Rückholung von KollegInnen aus der Kurzarbeit vorsieht, ignoriert der Vorstandschef einfach.
Dass Kreuzburg auf Leiharbeit setzt, muss man nicht nur vermuten. In der Biotechnologie ist das Teil des betrieblichen Alltags. Während in der Mechatronik die KollegInnen in Kurzarbeit sind, beschäftigt Sartorius in der Biotechnologie ca. 70 Leiharbeiter. Als das Göttinger Tageblatt kürzlich in einem Artikel über die Zunahme von befristeten Arbeitsverhältnissen berichtete, hat sich die Redaktion dabei von der Sartorius-Pressestelle an der Nase herum führen lassen. Sartorius hat sich als Unternehmen dargestellt, in dem befristete Arbeitsplätze kaum eine Rolle spielen. Dass aber über 10% der Belegschaft der Biotechnologie Leiharbeiter sind und noch weniger Rechte haben als Befristete – darüber wurde stille geschwiegen. Wäre ja auch nicht so gut angekommen angesichts der Kurzarbeit in der Mechatronik. Die KollegInnen sind daher berechtigterweise sauer, dass nur eine Handvoll KollegInnen aus der kurzarbeitenden Mechatronik einen neuen Job in der Biotechnologie bekommen haben – und das obwohl der Sozialplan aus dem letzten Jahr ausdrücklich vorsieht, dass die Kollegnnen aus der Kurzarbeit mit Vorrang innerhalb des Konzerns unterkommen sollen.
Das Ignorieren getroffener Vereinbarungen wird bei Sartorius allerdings längst zur schlechten Gewohnheit. So warten die KollegInnen aus der Biotechnologie ja immer noch auf den längst überfälligen ersten Spatenstich für den Bau einer neuen Produktionslinie. Im Jahr 2008 hatten sie durch Gehaltsverzicht erreicht, dass die Geschäftsleitung ihre Drohung zurück nimmt, diese neue Linie im Ausland zu bauen. Bis jetzt ist von einem Neubau aber weit und breit nichts zu sehen, aber die eingesparte Kohle der Kolleginnen ist schon mal einkassiert worden.
Kreuzburg geht dabei Konfrontationen so weit es geht aus dem Weg. Das skurrilste Beispiel dafür war sicherlich die letzte Betriebsversammlung der Mechatronik. Viele KollegInnen, die aktuell Kurzarbeit machen und zum Jahresende vor der Alternative Abschiebung in eine Transfergesellschaft oder Kündigung stehen, wollten hier endlich wissen, was denn nun geplant ist. Sie bekamen aber nichts zu hören – als sei die Entscheidung noch nicht getroffen, wie es denn weiter gehen soll. Aber spätestens als sie wieder zu Hause waren, wurden sie für den nächsten Tag zu einer Informationsveranstaltung über die Transfergesellschaft eingeladen. Es macht den Eindruck, als habe Konzernlenker Kreuzburg nicht die Traute, der Belegschaft offen ins Gesicht zu sagen, was er vorhat.