Wie aus einem „Fall Eberwien“ ein „Fall Riethig“ wird…
„Atemberaubend“ – so nennt der stellvertretende Chefredakteur des Göttinger Tageblatts zutreffend das Schauspiel, welches Kreisrat Marcel Riethig und der Göttinger Ratsherr Tom Wedrins zurzeit aufführen.
Und es ist tatsächlich atemberaubend, wie der Kreisrat versucht, eine Woche vor der Kommunalwahl die gegen den VHS-Geschäftsführer Eberwien im Raum stehenden Vorwürfe zu entkräften, in dem er die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom Kollegen Güntzler (CDU) beauftragt zu prüfen, ob ein „Schaden für die VHS entstanden sei“. Wir vermuten mal, er meint nicht den entstandenen Imageschaden oder den Schaden, den ein selbstherrlicher Geschäftsführer tagtäglich anrichtet, sondern einen „finanziellen Schaden“.
Die leicht zu durchschauende Intention ist dabei so simpel wie dreist:
Ist kein finanzieller Schaden entstanden, nehmen wir mal an, weil der Geschäftsführer in letzter Sekunde alle privat getätigten Ausgaben erstattete und vielleicht noch fix Tankbelege in Höhe von 6.000 Euro einreichte, dann wären die Vorwürfe ja unberechtigt und das Schreiben des Betriebsrates an den Aufsichtsrat „illoyal …unredlich und unanständig“.
Das ist kühn. Ist doch dem Kreisrat sicherlich bekannt, dass es für die Straftat „Untreue“ zweitrangig ist, ob jemand unrechtmäßig genutztes Firmenvermögen zurückzahlt oder nicht. Allein die Tatsache, dass jemand unrechtmäßig eine Firmen-Kreditkarte für Privatausgaben nutzt, ist schon Veruntreuung. Wenn unrechtmäßig verausgabtes Betriebsvermögen zurückgezahlt wird, können Juristen dies als „lebendige Reue“ werten, welche sich bei der Strafbemessung unter Umständen mildernd auswirkt. Aber darum soll es ja nicht gehen.
Denn ob es solch eine unrechtmäßige Handlung gegeben hat, wird nur von einem Staatsanwalt bzw. Gericht entschieden, nicht von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die kann nur feststellen, dass (wahrscheinlich) kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. So weit, so schlecht.
Aber es kommt noch dreister:
Zur weiteren Prüfung der Vorgänge hat laut Göttinger Tageblatt Kreisrat Riethig zusätzlich noch den Göttinger Rechtsanwalt Sascha John beauftragt. Dieser alte Kumpel und SPD-Genosse vertritt Eberwien aber schon in seiner zweiten Funktion als KVHS-Geschäftsführer. Gibt es da nicht so etwas wie einen Interessenkonflikt? Meint Riethig wirklich, das fällt niemanden auf?
Nicht von ungefähr mahnt der ver.di-Geschäftsführer Sebastian Wertmüller wohl deshalb:
„…die tatsächliche Unabhängigkeit der Prüfer (werde) eine zentrale Rolle einnehmen, ebenso wie auch der Prüfauftrag. Es gehe keineswegs nur um die Frage, inwieweit der VHS möglicherweise ein finanzieller Schaden entstanden ist. Es gehe auch darum, ob es zu einer missbräuchlichen Nutzung einer dienstlichen Kreditkarte gekommen sei…Die … Rückkehr zur sachorientierten Zusammenarbeit setzt aus ver.di-Sicht … voraus, dass die angekündigte Prüfung auch für die Beschäftigten und ihre Interessenvertretung nachvollziehbar und vertrauenswürdig sei.“ Und der ver.di Geschäftsführer ergänzt: „„Leider sprechen die Attacken vorab gegenüber Beschäftigten … nicht unbedingt dafür.“
Denn ähnlich wie Tom Wedrins meinte Marcel Riethig auch noch die Beschäftigten angreifen zu müssen, die möglicherweise dazu beigetragen hätten, dass die Vorkommnisse nun an die Öffentlichkeit gelangten. Dies wäre „feige und im höchsten Maße illoyal …unredlich und unanständig“, so Riethig.
Noch absurder agiert diese Tage nur Tom Wedrins, seines Zeichens stellvertretender VHS-Aufsichtsratsvorsitzender und ebenfalls eine lokale SPD-Größe.
Nachdem Wedrins zunächst nichts Besseres zu tun hatte, als dem VHS-Betriebsrat, welcher sich vertrauensvoll an ihn wandte, mit rechtlichen Schritten zu drohen (wegen vermeintlich „übler Nachrede“), vollzieht genau dieser Stadtrat jetzt eine 180°-Wende und lässt sich im GT zitieren mit der Aussage, er halte eine fristlose Kündigung Eberwiens für dringend erforderlich. Auch um neutral die Vorgänge prüfen zu können. „Bei Verdachtsmomenten kommt eigentlich nur die fristlose Kündigung in Frage“.
Wedrins wechselt also seine Position von einem spontanen Verteidigen des Geschäftsführers und Attackieren des Betriebsrates, zu einer „dringend erforderlichen außerordentlichen Kündigung“ des Geschäftsführers, und beides vor Prüfung des Sachverhalts. Das ist in der Tat „atemberaubend“.
Unser Fazit:
Beide Politikdarsteller geben sich zurzeit große Mühe, aus dem „Fall Eberwien“ einen „Fall Riethig/Wedrins“ zu machen. Vielleicht denken sie ja, kurz vor der Kommunalwahl ist jede Presse gute Presse?
Wir tippen mal, ab Montag übernimmt Reuter oder Köhler das Krisenmanagement. Das wird dann nicht unbedingt besser, sicherlich aber weniger Schlagzeilen produzieren.
Und Eberwien wird gehen. In einem halben Jahr wird er dann wieder einen politiknahen Führungsposten anderswo einnehmen, bislang ist er noch immer die Karriereleiter hochgefallen. Dafür hat er einfach zu viele rhetorische Fähigkeiten und verkörpert vom Habitus her genau den Typ Manager, den Rot-Grün-Schwarze Provinz-Politiker so lieben.
Was bleibt, ist die Hoffnung auf eine tatsächlich rückhaltlose Aufklärung.
Und der Dank an die mutigen KollegInnen der VHS und ihren Betriebsrat.
Diese haben sicherlich auch eine Entschuldigung vom Aufsichtsrat verdient.
Und vielleicht mal einen Geschäftsführer, der sich kollegial verhält, ernsthaft an Weiterbildung interessiert ist und nicht nur an Marketing, der Mitbestimmungsrechte respektiert, und andere Spielregeln auch. Wie z.B. eine Firmenkreditkarte nicht für Hotelrechnungen auf Mallorca zu nutzen.
Unsere ursprüngliche GBE-Berichterstattung hier, inklusive einer Link-Sammlung mit der online-zugänglichen Medienberichterstattung. Hier noch ein zweiter Kommentar, erschienen nach der Abberufung von Eberwien.