VHS Symbolbild kleinWie sich der Fall Eberwien 

zum  Fall Riethig entwickelte

Das Göttinger Publikum staunte nicht schlecht, als im vergangenen Sommer handfeste Untreue-Vorwürfe gegen den Geschäftsführer der VHS Göttingen-Osterode öffentlich wurden. Doch der eigentliche Skandal entwickelte sich erst in den darauf folgenden Monaten: Es  drängte sich zunehmend der Eindruck auf, dass die Aufsichtsratsmehrheit alles unternahm, um die möglichen Verfehlungen des Geschäftsführers runter zu spielen und stattdessen die ‚Whistleblower‘ anzugreifen. Jetzt stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue gegen Eberwien ein. Was ist passiert?

Der ursprüngliche Sachverhalt ist schnell erzählt: Es gibt den begründeten „Verdacht“, dass der VHS-Geschäftsführer Thomas Eberwien über ein Jahr lang die geschäftliche Kreditkarte nutzte, ohne notwendige Belege einzureichen und -zumindest zum Teil- für private Ausgaben.

Diese Zahlungen summierten sich offenbar auf über 8.000 Euro. Trotz monatlicher schriftlicher Aufforderungen u.a. seitens der Buchhaltung, diese Ausgaben zu belegen oder zurück zu erstatten, erfolgte genau dies nicht.

Juristen bewerten solch ein Verhalten als „Verstoß gegen die Vermögensbetreuungspflicht“ und „Veruntreuung von Betriebsvermögen“. Solch eine Veruntreuung würde auch dann vorliegen, wenn z.B. der Geschäftsführer in buchstäblich letzter Minute vor einer Wirtschaftsprüfung das Geld zurückzahlt. Aufgrund des offenbar vorliegenden Anfangsverdachtes eröffnete auch die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den VHS-Geschäftsführer. Welcher übrigens zeitgleich als Geschäftsführer der KVHS auch noch ein zweites Geschäftsführergehalt bezog…

Das Theater des Aufsichtsrats

Der „Fall Eberwien“ entwickelte sich im weiteren Verlauf zu einem absurden Theaters der Aufsichtratsmehrheit. Denn als der Betriebsrat der VHS sich mit einem Hilferuf an den Aufsichtsrat wandte, um von den Vorgängen betroffene VHS-MitarbeiterInnen zu schützen, verhielt dieser sich ganz anders, als erwartet:

Statt kritisch das Verhalten des Geschäftsführers zu prüfen und Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, scheint der Aufsichtsratsvorsitzende Riethig eher Schaden von eben jenem  Geschäftsführer abwenden zu wollen. Anders lässt sich sein Verhalten schwer deuten, griff er doch wenig verklausuliert den Betriebsrat bzw. die Beschäftigten an und bestritt zumindest eingangs jedes Fehlverhalten des Geschäftsführers.

Gänzlich absurd wurde das Theater, welches Riehtig (Landkreis-SPD), Aufsichtsrat Harald Noack (CDU) und die vom Aufsichtsrat beauftragten Rechtsanwälte aufführten, als sie in der heißen Phase des Kommunalwahlkampfes das damalige Aufsichtsratsmitglied Tom Wedrins (Stadt-SPD) angriffen - und wegen angeblichen „Geheimnisverrats“ und Verstoßes gegen das sogenannte „Mäßigungsgebot“ die Staatsanwaltschaft auf den Hals hetzten. Wer solche Parteifreunde hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr...

Was war geschehen? Während Riethig und sein Rechtsanwalt Schneehain munter (halb-)öffentlich ihre Eberwien-freundliche Sichtweise in die Welt posaunten, hatte sich Wedrins und die Stadt SPD kritisch zum Gebaren des Geschäftsführers geäußert und seine Absetzung gefordert. Dies, ebenso wie die entstandene Öffentlichkeit, passte der Aufsichtsratsmehrheit offenbar nicht - und entsprechend hysterisch agierte sie.

Wie ging es weiter?

Als nach der Eröffnung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Eberwien ein weiteres Festhalten am Geschäftsführer auch für die Aufsichtsratsmehrheit unmöglich wurde, erfolgte dessen Kündigung. Diese wurde in der Öffentlichkeit als „reine Formalie“ heruntergespielt (GT online 17. Sept. 2016).  Happy End? Wohl leider noch nicht. Denn Thomas Eberwien strengte ein Gerichtsverfahren gegen seine Kündigung an und auch die Eberwien-Freunde im Aufsichtsrat scheinen weiter an seiner Rehabilitation zu arbeiten.

Dabei dürfte Eberwiens nicht unbedingt eine Wiederanstellung in der VHS anstreben -daran dürfte selbst er nicht glauben– wohl aber einen außergerichtlichen Vergleich, inkl. einer Rehabilitation und möglichst hohen Abfindung. Und mit einem gewissen Prozessrisiko im Hintergrund lässt sich natürlich viel besser verhandeln ...

Könnte der ehemalige Geschäftsführer damit durchkommen? Wir befürchten: vielleicht schon! Denn nun hat die Staatsanwaltschaft tatsächlich die Ermittlungen wegen Untreue wieder eingestellt und Eberwiens Anwalt verkauft diese Einstellung wie erwartet: Die Einstellung des Verfahrens belege, dass "an den Untreue-Vorwürfen" nichts dran wäre. Wie konnte es dazu kommen, wenn doch die Vorwürfe so eindeutig und konkret waren? Dazu muss sich die Strategie von Riethig und seinen Anwälten/Wirtschaftsprüfern angeguckt werden....

Die "Aufrechnungs-Nummer"

Entgegen jeglichen juristischen Sachverstandes,  vertreten die Eberwien-Freunde im Aufsichtsrat zusammen mit ihren Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten eine „Aufrechnungs-Strategie“. Das heißt, sie rechnen die zahlreichen „Ansprüche der Gesellschaft gegen den ehemaligen Geschäftsführer“ (d.h. die zu Unrecht durch den ehemaligen Geschäftsführer vorgenommenen Zahlungen mit der geschäftlichen Kreditkarte) mit angeblichen „Ansprüchen des ehemaligen Geschäftsführers gegen die Gesellschaft“ auf - ohne dass dies jemals so vereinbart wurde.

Das Ergebnis: Überraschung- nur ein kleiner Betrag bleibt offen! Und da dies so der Staatsanwaltschaft vorgetragen wurde, hat diese nun das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt …

Diese abenteuerliche Aufrechnungsgeschichte ist natürlich im höchsten Maße fragwürdig:

a) weil es solch eine Aufrechnung ohne explizite Aufrechnungserklärung schlicht unzulässig ist;

b) weil die Rechtsvertreter der VHS mit solch einer Strategie natürlich die Interessen Eberwiens schützen – und nicht die Interessen der VHS-Gesellschaft;

c) weil die (vermeintlichen) Ansprüche des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft selbst fragwürdig sind… Dem Vernehmen nach soll es sich z.B. um finanzielle Zusagen für eine Altersversorgung handeln, die noch über das sechsstellige Geschäftsführergehalt bei der VHS hinaus vereinbart worden seien. Allein: es scheint strittig, ob Eberwien jemals die Bedingungen für die Auszahlung erfüllte …

Fazit:

Wie auch immer diese Geschichte ausgeht, es bleibt die Erkenntnis, dass die lokalen Politik-Darsteller (mit wenigen Ausnahmen) die Reihen schließen, wenn sie meinen, dass „einer der Ihren“ angegriffen wird. Ein ziemlich unangenehmes Netzwerk ist so kenntlich geworden, welches parteiübergreifend zusammenarbeitet, Schützenhilfe von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern erhält sowie vom Chefredakteur des Göttinger Tageblattes persönlich: Dr. Graells war sich z.B. nicht zu schade, eine Leserbrief-Schreiberin privat anzurufen, um dieser die „Aufrechungsgeschichte“ aufzutischen und dahingehend „zu bearbeiten“, zukünftig weniger kritische Leserbriefe bezüglich des Falles Eberwien zu schreiben!

Es  bleibt aber auch die Erkenntnis, dass es den mutigen VHS-Beschäftigten und ihrem Betriebsrat gelang, das selbstherrliches Agieren des ehemaligen Geschäftsführers zu stoppen. Dafür gebührt ihnen Respekt!

PS 1: Interessanter Artikel in der HNA zur Einstellung des Verfahrens gegen Eberwien in dem u.a. detailliert die fragwürdige Aufrechnungsnummer erläutert wird hier.

PS 2: Siehe auch unsere ursprüngliche Berichterstattung hier inkl. einer Sammlung der Artikel aus den lokalen Medien.